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Fiebermessen rechtswidrig ?

Ein BR-Mandant erzählt mir, dass bei ihm am Werkstor alle Arbeitnehmer auf Fieber untersucht werden.
Dazu werden individuell Messgeräte ans Ohr gesetzt. Es gibt allerdings auch automatisierte Verfahren, die ohne Körperkontakt eine entsprechende Infrarotmessung durchführen.
Der Mandant fragt mich, ob das überhaupt erlaubt sei.

Eigentlich ist – übrigens weitgehend unabhängig von der Messmethode – die Antwort ganz einfach. Man muß nur die richtigen Zwischen-Fragen stellen.

Frage 1 (zuerst mal individualrechtlich): gibt es eine Rechtsgrundlage dafür ?
a) Wohl kaum, wenn nicht bei ganz speziellen Arbeitsverhältnissen (z.B. in einem Labor im Umgang mit Viren) das schon im Arbeitsvertrag so geregelt ist.

b) Oder, wenn das Gesundheitsamt eine entsprechende Verfügung erlassen hat (selbst dann müsste man noch fragen, was für das Amt wiederum die Rechtsgrundlage sein soll).

c) Manche AG berufen sich aber sogar auf den Datenschutz, um solche Messungen durchzuführen. Argument: § 26 I S. 1 BDSG erlaube ja auch das Erheben von Daten, wenn es erforderlich sei. Denn der Begriff der „Verarbeitung“ dort enthalte gem. der Definition in Art. 4 Nr. 2 DSGVO auch das „Erheben“.
Alles richtig, aber es scheitert eben an der „Erforderlichkeit“. Das Fiebermessen ist kein geeignetes Mittel, um einer corona-Infektion auf die Spur zu kommen. Fieber ist nur ein Indiz von vielen für eine Corona-Erkrankung. Umgekehrt kann man auch daran erkrankt sein, ohne Fieber zu haben.

d) Nun sagt aber der Arbeitgeber, es handle sich um einen Notfall.
Nein. Es geht derzeit (vielleicht) um Eilfälle. Ein Notfall liegt vor, wenn es gar keine andere Option gibt, als genau diese, um eine unmittelbar bevorstehenden, schweren Schaden abzuwenden. Dabei fehlt es hier aber schon an der Kausalität, s.o..
Anders gesagt: auch das Fiebermessen verhindert ja nicht die weitere Infektion, da es nur einen Verdacht begründet. Fieber kann man auch aus vielen anderen Gründen haben, s.o..
Zwischenergebnis: Fiebermessen am Werkstor ist in der Regel (von den o.g. Ausnahmen abgesehen) unzulässig.

Frage 2: (kollektivrechtlich): hat der BR ein Mitbestimmungsrecht ?
Ja. Aus § 87 I Nr. 7 (Regelungen über den Gesundheitsschutz), aus § 87 I Nr. 6 (Leistungs- und Verhaltenskontrolle, Datenschutz) und aus § 87 I Nr. 1 (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb).

Könnte denn dann nicht der BR durch eine BV mit dem AG zusammen das Fiebermessen erlauben ? Dann hätte man doch auch individualrechtlich eine Rechtsgrundlage.
Nein. Die Betriebsparteien dürfen geltendes Recht ausgestalten, sie dürfen aber nicht in die Grundrechte der Arbeitnehmer eingreifen. Ein Fiebermessen ist aber ein intensiver Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, je nach Messmethode ggf. auch in das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Das Ergebnis ist im Übrigen eine Diagnose über einen gesundheitlichen Zustand, die der Arbeitgeber nicht erfahren darf.


Frage 3: könnte nicht der Arbeitgeber den Betriebsarzt oder den medizinischen Dienst anweisen, eine Fiebermessung durchzuführen ?
Nein. Dies wäre nur im Einzelfall zulässig, wenn ein konkreter Verdacht vorliegt. Fieber ist aber nur ein Indiz von vielen für eine Corona-Erkrankung. Siehe oben zu 1. c)

Frage 4: aber was kann denn ein Arbeitgeber dann tun ?
Der AG kann
a) die Arbeitnehmer um eine Einwilligung bitten. Die könnte sogar gem. § 26 II S. 3 BDSG formlos abgegeben werden, wenn man davon ausgehen möchte, dass mit corona und in der Situation am Werkstor „besondere Umstände“ vorliegen.
Das ist aber wiederum mitbestimmungspflichtig, s.o.
Eine BV dazu dürfte aber wiederum nicht die Grundrechte der AN verletzen. Der Kreis schließt sich also auch hier hin zu einer Unzulässigkeit.
b) die Arbeitnehmer nach Hause schicken, wenn er meint, dass jemand individuell Anzeichen einer Infektion zeigt. Diese Entscheidung muß nicht auf Nachweisen beruhen. Natürlich muß er dann den Lohn weiterhin zahlen (Achtung: Schnittstelle zur Kurzarbeit).
c) kann die Information über die Erkrankung eines AN offenlegen, um andere AN, die Kontakt zu dem Erkrankten hatten, auf ihr eigenes Infektionsrisiko hinzuweisen. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber positiv und auf legale Weise erfahren hat, dass ein AN an corona erkrankt ist. Dies ist aber unter Juristen umstritten. Es dürfte nur zulässig sein, wenn die Ansteckungsgefahr sehr hoch und die Behörden aufgrund dessen eine absolute Kontaktsperre erlassen haben.

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